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Herberner laufen durch die „Nacht der Nächte“

Dass sie verrückt seien, das hörten Oliver Schuschel, Markus Billermann und Karsten Krantz vom Lauftreff des SV Herbern vor ihrem Start im schweizerischen Biel oft genug.[Ruhe vor der Tortour: Markus Billermann, Karsten Kranz, Petra Lenfers-Lücker und Oliver Schuschel im Startbereich des 100-Kilometer-Laufes von Biehl.]Ruhe vor der Tortour: Markus Billermann, Karsten Kranz, Petra Lenfers-Lücker und Oliver Schuschel im Startbereich des 100-Kilometer-Laufes von Biehl.
Doch sie wollten es schaffen, wollten den eigenen Körper und den inneren Schweinehund bekämpfen und sich mit dem Gefühl belohnen, es gewagt zu haben.
Alle drei erreichten ihr Ziel – sie liefen einen Ultra-Marathon über 100 Kilometer. „Es ist eine große Genugtuung“, versucht Oliver Schuschel die Eindrücke in Worte zu fassen.
Vor zwei Jahren gab es erste Überlegungen, Anfang 2014 wurden diese konkret. Die Vorbereitung begann. 1 700 Trainingskilometer, fünf Mal die Woche auf der Strecke mit insgesamt 100 Kilometern, Stretching, Muskelaufbau und Massagen – so lautete der Ablauf für die drei erfahrenen Marathonläufer bis zum Start. „Das ist schon sehr zeitaufwändig“, gab auch Schuschel zu.
Am vergangenen Freitag ging es los, um 22 Uhr startete die „Nacht der Nächte“, wie die Veranstaltung in Läuferkreisen auch genannt wird. Mit dabei war auch Petra Lenfers-Lücker als „Coach“. So werden die Begleiter auf dem Rad genannt, die die Läufer durch die Dunkelheit auf der Strecke begleiten. Zunächst blieb sie bei Karsten Krantz, der von vornherein langsamer laufen wollte als die anderen beiden, später schloss die zu Schuschel und Billermann auf.
Dort sorgte sie morgens um vier Uhr für beste Unterhaltung. „Als kleinen Motivationskick hat sie eine Audiospur vom Schützenplatz abgespielt – so waren wir morgens um vier Uhr 650 Kilometer entfernt irgendwie auch beim Schützenfest dabei“, erinnert sich Schuschel.
Trotz der späten Startzeit wurden die Läufer in den verschiedenen Orten freudig empfangen, es gab Dorffeste mit typischen Alphornbläsern und Kuhglocken. Doch mittendrin, zwischen den Orten, gab es auch die totale Stille. „Passenderweise war zu der Zeit auch Vollmond. Man hört nur seine Schritte und hat den Mond dabei – das hat schon was mystisches“, erklärt Schuschel.
100 Kilometer laufen sich nicht wie am Schnürchen. Es gibt Höhen und Tiefen, mal muss man sich auch quälen. Aufgrund der Belastung und der hauptsächlich flüssigen Nahrung an den insgesamt 18 Verpflegungsstationen, an denen auch Pausen von fünf bis zehn Minuten eingelegt wurden, hatten vor allem Schuschel und Krantz kurzzeitig erhebliche Magenprobleme.
„Das geht dann aber nur eine halbe Stunde und ist danach wieder weg“, berichtet Schuschel von einem der Tiefpunkte auf der Strecke, bei der Steigungen zu Fuß gegangen wurden. „Sonst wäre es gar nicht zu schaffen“, sagt er. Insgesamt sei das Tempo viel niedriger als zum Beispiel bei einem Marathon. „Manchmal kommst du zwischendurch in einen Flow und merkst die zehn Kilometer überhaupt nicht, manchmal musst du um jeden Kilometer kämpfen“.
Irgendwann gegen vier Uhr gab es dann die ersten Strahlen des Tageslichts. „Das gibt noch einmal einen Kick, setzt Endorphine frei“, erinnert sich der Organisator des Westerwinkellaufs. Man höre das Vogelgezwitscher und werde emotional, Körper und Geist seien in einem Ausnahmezustand. Um 9.45 Uhr war dann endlich das Ziel in Sicht.
Der Zieleinlauf – ein unbeschreibliches Gefühl für alle – Läufer und Fahrradbegleitung. Als das Quartett nach Hause kam, bereiteten Angehörige und Mitglieder des Lauftreffs einen gebührenden Empfang mit Plakaten und La Ola Wellen. „Es ist schön zu sehen, wie alle Anteil genommen haben“, sagt Schuschel.
Nochmal diesen Kampf gegen Körper und Geist wollen sich aber alle drei in naher Zukunft erstmal nicht antun, der Aufwand sei zu groß. „Man soll aber niemals nie sagen“, sagt Schuschel. Schon verrückt, irgendwie.
Westfälischer Anzeiger